vertraut – fremd. Grafische Literatur von Birgit Weyhe

Rude Girl
Rude Girl
© Birgit Weyhe / avant-verlag

vertraut – fremd. Grafische Literatur von Birgit Weyhe

16. bis 19. JuniRedoutensaal

Öffnungszeiten: 

Do 12:00–19:00, Fr/Sa 10:00–19:00, So 10:00–18:00 Uhr

Die Comics von Birgit Weyhe sind ebenso universell wie menschlich. Es geht um Themen wie schwarzes Empowerment, die Lebens- und Arbeitsbedingungen von mosambikanischen Vertragsarbeiter*innen in der DDR oder ihre eigene Familiengeschichte. Das ist stark, weil Birgit Weyhe Menschen aus aller Welt und aus ganz unterschiedlichen Kulturen ebenso scharfsichtig wie frei von Konventionen portraitiert.

Die Ausstellung zeigt, wie Birgit Weyhe Muster menschlichen Lebens herausarbeitet, die Identitäten prägen. Da sind die Frauen, die stark werden, weil sie ihr Leben nach eigenen Vorstellungen leben wollen und dabei auf Widerstände stoßen. Da ist die Auseinandersetzung mit Kriegen. Jenen, die an irgendeinem Ort der Welt gerade wüten und Menschen zu Flüchtlingen machen, die neue Lebensumstände und Traumata bewältigen müssen. Und da sind die beiden Weltkriege im 20. Jahrhundert, die die Menschen in Deutschland ganz ähnlich entwurzelt und verletzt haben, und deren Narben noch in den kommenden Generationen zu spüren sind. Und da sind immer wieder Menschen, die einen Aufbruch wagen, weil sie sich ein besseres Leben wünschen.

Birgit Weyhe, 1969 in München geboren, verbrachte ihre Kindheit in Ostafrika und ist erst spät zum Comic gekommen. An der Hochschule für Angewandte Wissenschaften HAW Hamburg begann sie 2002 ihr Studium der Illustration. Die Stoffe für ihre Comics nimmt sie aus dem Alltag. Als ihre Tochter für die Schule einen Stammbaum der Familie zeichnen soll, wird Birgit Weyhe klar, wie wenig sie über ihre Familie weiß. Sie beginnt zu recherchieren und zeichnet den Comic „Im Himmel ist Jahrmarkt“. Für den Berliner Tagesspiegel zeichnet sie in der Reihe „Lebenslinien“ kurze Portraits von Menschen, die sie meist zufällig getroffen hat. Und ihren aktuellen Comic „Rude Girl“ hat Birgit Weyhe recherchiert, weil ihr bei einer Vortragsreise durch die USA vorgeworfen wurde, sie würde in ihren Comics kulturelle Aneignung betreiben. Dass daraus universelle Stoffe werden, hat auch mit ihrer Arbeitsweise zu tun. Denn Birgit Weyhe kombiniert Text und Bild in ihren Comics so, dass daraus mehr als Narration entsteht. Sie entwirft Muster, die aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten zu kommen scheinen – und die in ihren jüngeren Comics immer mehr zu abstrakten Strukturen werden, etwa zu dunklen Wolken, die sich über ihre Protagonisten legen. Oder sie zeichnet Metaphern in ihre Comics. Besonders häufig sind es Vögel: solche, die am Boden kauern, andere, die gerupft sind oder Vögel, die sich in die Lüfte schwingen und so zum Abbild der Gefühlswelt der Menschen werden. Auf diese Weise zeichnet sie erzählerisch dichte Gewebe, die zugleich vertraut und fremd wirken, und die eine ganz eigene Handschrift haben.
Andrea Heinze


Birgit Weyhe und ihre Comics 
Film (15:42 min) von Andrea Heinze